Der Froschkönig - Versuch um eine tiefenpsychologische Auslegung
Jiří Janíček
Literatura pro děti a mládež
16. 2. 2010
Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich
(Essay)
Versuch um eine tiefenpsychologische Auslegung des Märchens “Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich” und sprachliche Vergleichung des deutschen Originals mit der tschechischen Übersetzung.
Das Märchen Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich ist das erste Märchen der Grimmschen Sammlung Kinder- und Hausmärchen (KHM), die zum ersten Mal vor Weihnachten 1812 erschien. In den nächsten Ausgaben hat sich die Zahl der Märchen auf 200 gefestigt und ihrer Mehrzahl stammte aus Hessen, woher auch unseres Märchen stammt.
Das Thema der Verwandlung eines Frosches zum Menschen verarbeiten auch die besonders in Russland bekannte Märchen Die Froschprinzessin und Die Froschkönigin.
Das Märchen gibt eine Geschichte eines (und zwar der jüngsten und schönsten) Königstochter an, die eines Tages am Brunnen im Wald mit einer goldenen Kugel spielte. Die Kugel ist ihr aber in den Brunnen “hineinrollt”. (Der Wald ist “groβ und dunkel”, d.h. –
im natürlichen Kontext bestimmt ein gefährlicher Ort, auf der unbewussten Ebene wohl die Unbewuβtsein). Sie begann zu weinen, und ihr Jammer war so schrecklich, dass es ihn ein Frosch gehört hatte, der dem Mädchen versprach, die Kugel aus dem Brunnen zu holen, will dafür aber einen Gegendienst. Die Königstochter bietet ihm “(alles) was er haben wollen wird” und konkretisiert es durch Aufzählung einiger materiellen Güte, die er aber alle (als wertlose) ablehnt. Er will, das sie ihm “liebhaben will” und will “ihr Geselle und Spielkamerad sein”. Die Prinzessin verspricht, was er will, bekommt vom ihm die Kugel herausholt. Sie geht zurück ins Schloss und hält ihr Versprechen als bedeutungslos, da glaubt sie, den Frosch nie mehr zu sehen.
Den nächsten Tag kommt der Frosch aber für seinen Lohn. Die Prinzessin will erstens nicht ihr Versprechen zu erfüllen – geht schon zur Tür (der Situation die Stirn zu bieten), dann “warf die Tür aber hastig zu”, womit sie klar ihre Widerwilligkeit zum Frosch (wohl Widerwilligkeit oder Ängstlichkeit vor dem Koitus, die sie durch Aggression löst) merken lässt. Erst auf Anordnung des Königs, ihres Vaters (eine Autorität, die wohl die Stimme des Gewissens (mit Freud Superego) vorstellen soll) geht sie endlich ihm die Tür zu öffnen und später auch alles Anderes zu machen, was er will – auβer eines: Wenn der Frosch mit ihr im Bett schlafen will, erfüllt sie seinen Wunsch zum ersten Mal nicht und voll von Zorn warf ihn gegen die Wand. Diese Revolte hat sich ihr aber – logischerweise paradox – gelohnt – vom garstigen Frosch wird ein schöner Prinz. (Was scheinbar unlogisch und überraschend ist, weil sie nicht gehorsam ist und dem Versprechen nicht mehr treu ist. Eine wahrscheinliche Lösung ist wohl, dass sie die Sittlichkeit (die Ablehnung des verbotenen/sozial nicht gewollten) Sex dem Versprechen übergeordnet hatte.) Dann “schliefen sie ein”(was wieder eher sexuell zu verstehen ist) und morgen abfuhren sie (nicht bekannt wohin, es ist wohl nicht wichtig, wir erfahren nur, dass die zwei jetzt eine neue und abgeschlossene Einheit bilden).
Erst jetzt kommt auf die Szene der “eiserne Heinrich”, der treue Diener des jungen König, der mit der Kutsche das junge Paar holen hinfährt. (Vom Prinz wird über die Nacht der König – wohl durch die eigene (nicht ausgesprochene) “Heirat” (“Konsumation der Ehe”, d. h. das Geschlechtsverkehr). Den Beinamen “eisern” bekam er, weil er sich das Herz mit drei eisernen Banden umlegen liess, um es ihm nicht vor Weh zerspränge. Ein Band nach dem anderen dann während der schlussendlichen Happy-End-Reise bricht. Der junge König fürchtet sich immer wieder, dass der Wagen brach.
Interessant ist auch, dass die tschechische Übersetzung (von Marie Kornelová) der bilingualen Ausgabe (Garamond, Praha 2003) die Stellen, die potentiell sexuell zu interpretieren sind, verschweigt – die explizite Aufstellung am Ende des Märchens (“Der war nun nach ihres Vaters Willen ihr lieber Geselle und Gemahl.” und “Dann schliefen sie ein (...).”) wird völlig ausgelassen.
Literatur
GRIMM, Jacob, GRIMM, Wilhelm : Grimms Märchen : Text und Kommentar. Frankfurt/Main : Deutscher Klassiker Verlag 2007. S. 23-26, 863-867.
STROMŠÍK, Jiří: Od Grimmelshausena k Dürrenmattovi. Jinočany : H&H 1994. S. 67-75.